Irgendwo zwischen Skepsis und Abscheu befand sich meine Haltung gegenüber E-Mountainbikes in den letzten Jahren. Klar, E-Bikes sind hilfreich für ältere Leute (und auch die unterschätzen die Power ihres Gefährts schnell mal) und ersetzen das Auto auf dem Weg zur Arbeit, aber müssen motoriesierte Mountainbikes mit 200mm Federweg im Wald wirklich sein?
Ein Test sollte unsere Skepsis bestätigen – und überraschte…
Test
Features:
- Rahmen aus M5 Aluminium und FSR 6Fattie Hinterbau mit 148mm Einbaubreite (Boost)
- Komplett integrierter Brose Antrieb und Akku
- FSR Hinterbau mit 140mm Federweg
- Fox FLOAT Performance, Rx Trail Tune Dämpfer, AUTOSAG
- RockShox Yari RC 29/27.5+, Solo Air
- SRAM GX 1×11 Schaltgruppe
- Neue Command Post IRcc mit 12 Positionen und 125mm Versenkbarkeit
Preis: € 4999,-
Getestete Größe: Small
Erhältlich bei: Mountainbiker Klagenfurt
Website des Herstellers
Tester: Daniel
Performance:
Irgendwo zwischen Skepsis und Abscheu befand sich meine Haltung gegenüber E-Mountainbikes in den letzten Jahren. Klar, E-Bikes sind hilfreich für ältere Leute (und auch die unterschätzen die Power ihres Gefährts schnell mal) und ersetzen das Auto auf dem Weg zur Arbeit, aber müssen motoriesierte Mountainbikes mit 200mm Federweg im Wald wirklich sein? Muss die moderne Technik wirklich jedem alles ermöglichen? Wie sieht es überhaupt mit der Fahrtechnik der E-Mountainbiker aus – rauf kommen sie ja dann mit Elektro-Shuttle, aber runter? Und über all dem hängt das Damoklesschwert der noch größeren Belastung der Wege (modernerweise Trails genannt) und der noch geringeren Akzeptanz unseres Sports wenn jetzt plötzlich nicht mal mehr komplett selbst getreten wird. Allerdings häufen sich auch bei uns als Guides die Anfragen bezüglich E-MTBs, Kaufberatung wird gefordert und allgemein kommt man um das Thema schwer herum. Wir paar alteingesessene Trainer – konservativ, an Training und das Gute im Menschen glaubend – werden die Lawine an Entwicklungen nicht aufhalten können und so bleibt uns nur, weiterhin Bewusstseinsbildung für anständiges Verhalten im Wald und untereinander zu betreiben.
Diese, und noch einige andere Gedanken, geistern in meinem Kopf herum, als ich das Levo-Testbike aus dem Shop meines Vertauens schiebe. Online habe ich mich ja schon mal schlau gemacht und was als erstes auffällt: schick ist es das Speci unter meinem Hintern! Wie Krebsgeschwüre wuchern die Akkus und Mittelmotoren aus den Rahmen der E-Mountainbikes der meisten Hersteller. Optisch wahrlich kein Leckerbissen, sehen die meisten Gefährte stark nach Pfusch aus. Specialized hat es (wie einige, aber wenige andere Hersteller) geschafft Motor und Akku des Levo dank Brose Motor (deutsches Fabrikat) perfekt in das Bike zu integrieren. Der Motor läuft äußerst leise, und so merkt man erst bei genauerem Hinsehen dass der Fahrer einige Watt dazuschwindelt.
Die Ausstattung des Bikes ist solide gewählt, enthält aber keine besonderen Highlights. Muss es aber dank Motor auch nicht unbedingt, Leichtbauteile sind dank Extra-Power überflüssig. Die SRAM GX Schaltung ist eigentlich alles was man braucht und werkelt auch an meinen zwei anderen Bikes ohne Fehl und Tadel, die Rock Shox Yari steckt im selben Chassis wie die neue Lyrik und hat sich schon in einigen Tests als Preis-Leistungs-Tipp empfohlen. Passt also alles. Ob man das Paket mit einer speziellen E-Bike Schatung inklusive Kette (z.B. SRAM EX 1×8), oder E-Bike Bremsen (z.B. Magura MT5e) noch verbessern könnte, werden sicher bald andere Tests zeigen.
Auch die restlichen Details wurden sehr gut und schön gelöst, die Specialized Jungs sind mittlerweile Meister der Systemintegration. Ihre Idee mit Werkzeug an Bord wird ja nun haufenweise kopiert (und auch gut umgesetzt). Der Unterbodenschutz ist ebenfalls praktisch wenn man das fette Gerät mal nicht locker über Baumstämme lupfen kann.
Insgesamt war ich zwei Halbtage auf den herbstlichen Trails unterwegs und besonders interessierte mich die Abfahrtsperformance des schweren Teils, und wie lange der Akku durchhält. Letzterer wurde mir natürlich geladen übergeben, das Laden funktioniert aber sehr leicht und ohne Probleme mittels magnetischem Andocken des Speci-eigenen Ladekabels (Ladegerät recht groß und schwer – Mehrtagestouren?). Zu Beginn zeigt die Ladeanzeige 10 grüne Lichtlein. Diese Leuchten übernehmen auch die Anzeige des gerade gewählten Modus (Eco, Trail oder Turbo). Das Levo kommt übrigens ohne eigene Einheit („Tacho“) am Lenker aus, ein Remote zum Ändern der Modi ist aber nachrüstbar. Außerdem lässt sich das Bike dank der Zusammenarbeit mit Garmin mit einigen Geräten koppeln. Eingestellt und getunt wird per Smartphone-App.
Kanns jetzt endlich losgehen? Ja, kann es. Noch schnell den Dämpfer (dank Autosag spielend leicht) und die Gabel eingestellt und ab. Der Lenker ist angenehm breit (750mm) und man nimmt eine recht aufrechte, komfortable Sitzposition ein. Der Reach in Größe S misst immerhin nur 389mm.
Es geht auf Asphalt los, also gleich mal den Turbo Modus eingeschaltet, ich muss ja nicht sparen. Leicht ansteigend geht es so mit 20 km/h dahin, der Puls bleibt dabei am unteren Ende der Grundlagenausdauer. Das selbe Erlebnis am Trail, bergauf wohlgemerkt! Im Hohlweg mit 15 km/h bergauf ohne zu schnaufen? Entweder man heißt Lakata und hat seit Jahrzehnten 25 Stunden in der Woche trainiert, oder man fährt eben E-Bike. Dann der Steilheits Test: unglaublich was mit dem Ding bergauf geht, Limit sind nur die schwach profilierten Reifen. Der Brose Motor unterstützt sanft und ideal (er wurde bei den neuen Modellen angeblich nochmals harmonischer gemacht). Aufgrund der Unterstützung muss man sich nur noch darauf konzentrieren dass das Vorderrad nicht hochkommt – nur noch eine Sache auf die man sein Hauptaugenmerk richten muss. Mit einem normalen Bike ist das Bergauffahren auf einem schwierigen Trail eine der größten koordinativen und konditionellen Herausforderungen im Bikesport. Mit dem E-MTB bedarf es also weniger Kraft UND Fahrtechnik. Sprich: die konditionelle Komponente fällt fast weg, Gewichtsverlagerung, mit Gefühl treten, das Bike mal unbelastet über ein Hindernis hieven sind weniger notwendig.
Eine Technikvariante muss in Zukunft wahrscheinlich nie mehr unterrichtet werden: das Anfahren am Berg. Mit modernen Bikes: Sattel runter, antreten, der Motor schnurrt weg. So einfach ist das 😉
Dann ein kleines Handicap: Spitzkehren bergauf. Hier ist man es gewohnt, zwischendurch kurz mit dem Treten innezuhalten, einzulenken und dann sanft wieder anzutreten. Fehlanzeige beim Levo: Wenn man Aufhört zu treten, ist die Unterstützung durch den Motor sofort weg und setzt erst nach ca. einer Viertelumdrehung wieder ein. Wenn man also nicht tritt, kippt man mit dem schweren E-Bike einfach um. Will man dies verhindern und tritt weiterhin in die Pedale, kann es schon mal passieren, dass man zu schnell für die Kurve ist und rausfliegt. Wer hätte gedacht das sowas mal bergauf passiert.
Das zweite Problem zeigt sich in der Ebene. Der Motor unterstützt nur bis zu einer Geschwindigkeit von 25 km/h, dann regelt er gnadenlos ab. Will man also beispielsweise nur zwei km/h schneller, also 27km/h fahren (langes Straßenstück, Überstellungsetappe bei einem Alpencross, man ist spät dran 😉 ) muss man die kompletten 22 kg plus die fetten Reifen alleine beschleunigen! Ein absolutes No-Go wenn man am Heimweg wieder mal von einem Gewitter verfolgt wird. Der technikaffine Mensch wird sich jetzt denken: „Dann tune ich das Teil doch einfach.“ Ja, das kann man, sogar relativ leicht, aber es ist illegal, da das Gefährt sonst als Moped gilt… Wieviel Akku der Motor dann frisst ist eine weiter Frage.
Trainingswirksam ist für mich eigentlich nur die Stufe Eco. Die beiden anderen fühlen sich an als würde ich in der Ebene spazieren fahren. Die einzelnen Stufen lassen sich über die App umprogrammieren und an die eigenen Bedürfnisse anpassen.
Bergab: Die nächste Überraschung wartet. Das Turbo Levo fährt sich auch bergab nicht so behäbig wie gedacht. Willig geht es auf’s Hinterrad (hat man mal den Sweetspot herausgefunden), und der tiefe Schwerpunkt verleiht dem Bike ein sattes Gefühl. Fast schon wie auf einem Motorrad gleite ich sanft über Hindernisse. Ich muss sogar zugeben dass die paar Freerider, die ich bis jetzt im Park gefahren bin, trotz weniger Gewicht schwerfälliger waren. Unangenehm fallen einmal mehr die Reifen auf. Zu wenig Profil und meiner Meinung nach etwas zu breit (Flubber Gefühl). Ein Wechsel auf 2,8 “ Maxxis oder Schwalbe bringt hier sicher Welten.
Akkulaufzeit: Der Test fand im Herbst bei Temperaturen um die 10 Grad statt. Auch war ich einer der ersten, die dieses Bike testeten. Die Kapazität des Akkus kann also noch zunehmen. Nach 1:40 nur im Trail und Turbo Modus waren noch 40% des Akkus verfügbar. Am zweiten Tag (nach Laden über Nacht) blieben nach 2 Stunden nur noch 20% übrig. Bei langen Tagestouren sollte man also eher im Eco-Modus unterwegs sein, oder man nimmt gleich einen zweiten (nicht billigen) Akku mit. Auch für diese Fälle hat das Bike-Business schon eine Lösung parat: spezielle E-Bike Rucksäcke mit Akkufach, zum Beispiel von Amplifi.
Fragen und Bedenken:
- Akkukapazität: sieht man sich an, wie schnell unsere Handykkus mit dem Alter leer werden, ist es fraglich ob E-Bike Akkus hier wesentlich besser abschneiden. Immerhin kostet ein neuer Akku zwischen 500,- und 800,- Euro.
- Kompatibilität: vor allem bei Mehrtagestouren interessant. Kann ich mein Bike überall aufladen, oder muss ich neben einem Zweitakku auch noch das eigene Ladegerät mitschleppen?
- Winter/lange Bikepause: was passiert mit dem Akku wenn das Bike über längere Zeit in der Garage steht? Ist der Akku z. B. im Winter nach einer Nacht nur mehr halbvoll? Bedarf es erhöhtem Pflegeaufwand (Akku abends mit in die Wohnung nehmen, zwischendurch immer wieder laden, etc.)?
- Abregelung bei 25 km/h: dieses Faktum handicapt z.B. Alpencross und Co enorm. Die meisten Routen gehen auch mal 20 km durch ein Tal und die Gruppe bolzt hier doch mit mehr als 25 km/h dahin. Fällt man also (wie übrigens auch mit zu leichter Übersetzung bei 1×11) zurück und die Gruppe zerreist? Geht es leicht bergab wird es noch schlimmer…
Ein paar Fragen, die sich bei einem „normalen“ Mountainbike nicht stellen. Hier ist immer noch der Fahrer der limitierende Faktor und kann selbst das meiste entscheiden.
Recap:
Spaß, das ist das beste Kaufargument für dieses Bike! Es macht wirklich Spaß damit auch mal Trails bergauf zu heizen und ich habe noch nie so gerne neue Wege ausprobiert – man ist ja dank Motor gleich wieder zurück wenn es eine Sackgasse ist 🙂 . Fahrtechnisch muss man sich etwas umgewöhnen (spezielle Kurse boomen), aber bergauf wie bergab hat man das schnell raus und dann ist das Bike sicher nicht der limitierende Faktor. Die angesprochenen Fragen betreffen alle E-Mountainbikes und man muss sich auch im Klaren darüber sein, dass man sich mit dem Kauf noch etwas mehr abhängig von der Technik macht. Was die zu Beginn angesprochenen Bedenken angeht, kann man nur sagen: Spaß sollte auch mit Venunft einhergehen.
Für wen bzw. wann macht dieses Bike Sinn?
- Guides: perfekt um neue Regionen zu erforschen. Man kann doppelt so viele Routen scouten wie ohne Motor und ist trotzdem umweltfreundlich unterwegs.
- Ältere Biker: sie sind sicher das Hauptklientel. Vor allem jene, die schon länger biken und über entsprechende Technik verfügen.
- Nach Verletzungen: Kreuzbandriss? Muskelschwund? Kein Problem, um neu durchzustarten und trotzdem auf den Berg zu kommen gibt’s genau solche Räder.
- Inhomogene Partner: Jein, selbst sehr wenig trainierte fahren schon im Trail-Modus ihrer Frau/ihrem Mann davon. Eine/r ist trotzdem unter- oder überfordert. Kompromiss notwendig.
- Neueinsteiger: natürlich fällt das Bergauf leichter, allerdings sollte das Bike nicht als Shuttle-Ersatz gesehen werden…